Miau und hallo, meine zauberhaften Leser*innen,
etliche Wochen nach den Ereignissen der letzten Geschichte war es endlich soweit:
Ich habe Spring (=> 9. Ämterchaos – Unerwartete Wendung) Anna und den anderen vorgestellt. Seit ich Spring kennengelernt habe, ist viel passiert. Das muss ich euch auch noch alles erzählen. Ich denke, ihr seid neugierig, wie es im Zauberwald weiter ging – mit den Feen und den Unheilvollen, was Snowflake und die Gorilla-Brüder erreicht haben. Kommt noch. Später. Versprochen. Aber heute geht es um Spring und Anna & Co.
Also, in den letzten zweieinhalb Monaten hatte ich mich, so oft es möglich war, mit dieser entzückenden Katze, die mein Herz von einer Sekunde auf die andere erobert hatte, getroffen. Und natürlich irgendwann zu Hause von ihr erzählt. Die Kleinen haben sich zunächst vor lauter Kichern nicht mehr einbekommen. Nicht weil ich mich verliebt hatte, das fanden alle eher schön, sondern wegen des Namens: „Spring“. Die Kleinen sprechen das nicht englisch aus, sondern deutsch wie von „springen“. Und finden es sehr lustig, dass ausgerechnet ich – ein magischer Kater, der nicht besonders gut springen kann – mich in eine Katze verliebt habe, die so heißt: spring. Mau. Seufz.
Ängste gab es natürlich auch, dass ich zu viel weg sein könnte, dass mir Spring wichtiger sein könnte als Anna & Co usw. Die Angst vor dem Verlassenwerden sitzt so tief bei allen innen, wie bei eigentlich allen Menschen mit DIS und Traumafolgestörungen bzw. kPTBS, die ich so kenne.
Insofern hatte ich mit Anna ganz genau geplant, wann und wie Spring alle kennenlernen sollte; klappte das Treffen gut, könnte Spring mich regelmäßig besuchen, statt dass ich ständig in den Zauberwald reisen musste. Planung und Vorbereitung für die Anteile innen war da wichtig; es ist für alle im System immer mit großer Aufregung und Ängsten verbunden, wenn etwas Neues ansteht – und sei es nur, eine neue Katze kennenzulernen. Auch das ist eine Traumafolge, die oft nicht gesehen wird.
Also, die Aufregung war schon beim Aufstehen relativ hoch – und wir hatten dementsprechend den Tag bis zu Springs Ankunft gut und eher ruhig geplant. Bei der morgendlichen kleinen Aufräumrunde, eine von Annas Routinen, fiel ihr die Kopie des Antrags an die Krankenkasse in die Hände, den sie am Vortag geschrieben hatte. Die lag noch auf dem Drucker; Anna hatte vergessen, sie abzuheften. An sich nicht schlimm, soweit jedenfalls, ließ sich ja schnell erledigen. Doch ihr Blick fiel auf das Datum – statt 2023 stand da 2025. Ja, ein banaler Tippfehler. Alles andere im Antrag war korrekt – auch der Zeitraum, für den sie die Leistung beantragte. Kein Problem, denkt ihr? An sich nicht. Vermutlich würde die KK das nicht mal bemerken. Doch hier brach ein Sturm los.
Noch immer ist es im System verboten, Fehler zu machen, seien es noch so kleine, banale, menschliche, unwichtige. (Ich wünsche Anna & Co da manchmal einfach mein Selbstbewusstsein. Ich weiß, dass sich hier auf dem Blog noch einige Tippfehler tummeln, obwohl ich immer brav Korrektur lese. Aber ehrlich gesagt, ist mir das ziemlich egal. Wenn ihr hier also Fehler findet, dürft ihr sie gern behalten.)
So einfach ist es nur nicht.
Warum? Nun, in der Vergangenheit war es lebensgefährlich, Fehler zu machen. Jede Unachtsamkeit, jeder Fehler wurde bestraft. Mit irgendeiner Form von Gewalt. Und das ist bei vielen Anteilen bis heute tief verankert. Perfektionismus, Kontrolle, Über-Wachsamkeit – alles Mechanismen von damals, entwickelt, weil sie das Überleben sicherten.
Angst, Panik, Wut über sich selbst bis hin zu Selbsthass, Scham darüber, etwas „falsch“ gemacht zu haben – die Gefühle der Anteile innen überfluteten Anna noch in der Sekunde, als ihr Blick auf die falsche Jahreszahl fiel. Ja, auch Scham. Tiefe Scham. Nicht nur ein kurzes „Oh, peinlich.“
Damit war bis in den Nachmittag hinein viel Arbeit für mich und Anna angesagt. Beruhigen, erklären, dass ein solcher Fehler nicht zu Ablehnung des Antrags führen und auch sonst nichts Schlimmes passieren würde. Immer wieder. Durchatmen, orientieren. Anna nutzt dafür u.a. gern den Spiegel im Flur, um allen zu zeigen, dass der Körper erwachsen ist – und somit eine andere Zeit als damals und keine Gefahr mehr von den Täter:innen ausgeht.
(Vorsicht! Ich weiß, dass es viele traumatisierte Menschen sehr triggert, in den Spiegel zu schauen. Das ist wirklich einfach Annas Weg – und nicht übertragbar auf andere DIS-Systeme.)
So ist es oft hier und bei anderen Menschen mit DIS: Es reicht eine vermeintliche „Kleinigkeit“, die triggert, irgendetwas Unerwartetes, und sämtliche Pläne geraten trotz guter Vorbereitung in Gefahr. Es sind eben keine Kleinigkeiten.
Da Spring eine ausgesprochen sanfte Katze ist (nein, ich bin nicht voreingenommen!), entschlossen Anna und ich uns, es dennoch zu versuchen. Ihr Besuch konnte auch eine positive Ablenkung sein.
Pünktlich um siebzehn Uhr landete Spring, elegant wie immer auf dem Balkon, auf dem ich sie schon erwartete. Genauer gesagt hockte ich da schon zwanzig Minuten lang. Ich hatte die Hoffnung gehabt, sie erst einmal in Ruhe begrüßen zu können, aber nein, Anna und die anderen klebten schon mit der Nase an der Balkontür. Neugierige Bande. Nix mit Privatsphäre!
Zunächst stellte ich sie Anna vor, die ihr erst mal die Wohnung zeigte und sie mit ein paar Leckerlies versorgte. Beruhigt beobachtete ich, dass die beiden sehr zugewandt und lieb miteinander umgingen. Die zwei waren sich schon mal sympathisch.
Ja, ich war ebenfalls aufgeregt. Anna & Co sind, neben Snowflake und Mascha, meine Wahlfamilie – was wäre gewesen, wenn da irgendeine Antipathie bestanden hätte? Ich mochte mir das nicht ausmalen. Ich denke, fast jede*r von euch hat schon mal ein Herzenslebewesen den anderen wichtigen Lebewesen im Leben vorgestellt. Das geht selten ohne Schweiß auf der Stirn vonstatten (symbolisch gesprochen).
Schließlich konnte sich Lia (die 7-Jährige innen, die ihr ja schon aus diversen Geschichten, u.a. => 3. Rettender Cafébesuch, kennt) nicht mehr innen halten, rutschte nach vorne und begrüßte Spring vorsichtig.
Nun, ich denke, das war bei beiden Liebe auf den ersten Blick. Eine Stunde lang spielten sie geradezu ausgelassen miteinander, während ich auf dem Bett hockte und einfach nur glücklich war. Zum Abschluss kuschelten wir uns alle aneinander und Spring und ich mussten auf Wunsch einiger Kleiner noch einmal erzählen, wie wir uns kennengelernt hatten. Himmel, war das gemütlich. Der Stress vom Tag war tatsächlich in den Hintergrund geraten.
Als Anna schließlich mit den Abendroutinen begann, saßen Spring und ich noch eine Weile draußen, beide erleichtert über den Verlauf dieses ersten Besuches. Spring gestand mir, dass auch sie sehr aufgeregt gewesen war, was ich ihr allerdings in keinster Weise angemerkt hatte. Ist schon ne coole Socke und hin und wieder glaube ich immer noch nicht, dass diese bezaubernde Katze ausgerechnet mich mag. Ja, manchmal ist er immer noch da, auch bei mir, der Unglaube, dass mich irgendwer mögen könnte. Trotz so vieler anderer Erfahrungen.
So, meine Zauberlehrlinge, für heute muss das reichen. Demnächst mehr. Wie immer könnt ihr mir einen Kommentar hier auf dem Bolg oder auf meinen Social Media Accounts hinterlassen; darüber freue ich immer sehr.
Bis bald. Wir lesen uns.
Es grüßt euch herzlich euer Merlin.
Nachtrag: Das ist sie, meine zauberhafte Spring. Miau.
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Wyland (Dienstag, 23 Mai 2023 13:22)
Das waren heute drei Dinge auf einmal!
Verlassen, Fehler, Scham. �
Danke lieber Merlin �⬛ für diese schöne Geschichte! ��
Wolfgang Wege (Dienstag, 23 Mai 2023 14:42)
Freut mich, dass das Kennenlernen so positiv verlaufen ist. Das mit der Fehlervermeidung und seinen impliziten Komplikationen, ist ein auch mir bekanntes Phänomen. Habe gelernt damit umzugehen. Durch die Pflege meiner Ma (92) bin ich nach und nach gelassener geworden. Annehmen und Anerkennen was ist, ohne es zwanghaft verändern zu wollen. Ein langer Lernprozess. Alles Gute und Liebe für Euch.
firefly (Dienstag, 23 Mai 2023 14:55)
sie ist eine Schönheit, Merlin. :) - und wie jedes Mal hat mich deine Geschichte glücklich. konnte ich gerade gut gebrauchen.
@energiepirat (Dienstag, 23 Mai 2023 20:53)
Danke Merlin für die zauberhafte Abwechslung
Jule (Samstag, 27 Mai 2023 13:33)
Ich sitze hier in meinem Ohrensessel, lese und merke, wie ich so vor mich hin lächle. Es ist so schön deine Geschichten zu lesen und verstanden zu werden.
Varni (Sonntag, 13 August 2023 13:41)
Fehler....
Kunde, Name Herr Firzstrom.
Hab ihm Mail geschrieben.
Jetzt guck mal, welcher Buchstabe auf der Tastatur neben dem i ist....
Habe die Mail nur flüchtig Korrektur gelesen und dann abgeschickt. DEN Fehler habe ich nicht gesehen. Shit Happens :)
Esther P. (Donnerstag, 21 September 2023 11:14)
Eine informative, bewegende und süße Geschichte! Toll!
PS: Merlin lieben wir doch alle ❤️
Hartmut (Samstag, 07 September 2024 19:51)
Hallo Merlin,
ja, natürlich ist man sehr gespannt, was noch weiterhin passiert. Besonders interessiert mich natürlich, was mit der Karina, der Ewigen ist – die ist ja nun weg, gehe ich davon aus. Irgendwann muss sie wiederkommen. Auch sie ist hinterhältig.
Danke das du noch mehr von dem Anfang zwischen dir und Spring uns erzählt hast. Jetzt kann ich natürlich sagen, dass ich, wie auch die Kleinen, ein bisschen schmunzeln musste – wegen des Namen. Da bin ich wirklich ganz bei den Kleinen.
Ich konnte mir auch gut vorstellen, dass Anna alles sehr genau plant. Anna plant immer sehr gut. Die Frage ist manchmal nur, was passiert, wenn etwas dazwischen kommt. Aber ich stelle mir das schon sehr aufregend vor – das erste Mal, dass Spring da ist. Wie werden alle auf sie reagieren? Aber wer Spring schon vorher kennengelernt hat, wusste eigentlich, dass das gar nicht schiefgehen kann. Sie ist eine sehr liebe und empathische Katze. Das hat sie ja schon in der Vergangenheit bei vielen brenzligen Situationen gezeigt. Ich hätte mir nichts anderes vorstellen können – es musste einfach klappen.
Und wie ich schon vorhin gesagt habe: Annas Pläne sind toll, aber wehe, es passiert etwas, das nicht in den Ablauf passt. Das ist fast so wie bei Murphys Gesetz: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Dass es so einen großen Sturm im System ausgelöst hat, hätte ich nicht gedacht. Jetzt kann ich etwas besser verstehen, wie es in bestimmten anderen Systemen auch geht. Das heißt natürlich nicht, dass alle gleich sind, aber ich denke, gerade mit Fehlern haben einige zu kämpfen.
Und ja, Merlin, da bin ich auf deiner Linie: Meine Tippfehler und meine Rechtschreibung sind nicht optimal – wer es nicht sehen möchte, darf gerne weiterscrollen und muss sich das dann nicht antun.
Danke, Merlin, für den Hinweis mit dem Spiegel. Das war etwas für mich absolut Neues.
Ja, ich kann mir gut vorstellen, wie die Bande durch die Balkontür schaute – aber das war klar.
Dass das Lia es nicht aushalten konnte, kann ich mir auch gut vorstellen, und dass Spring sofort ins Herz geschlossen wurde, ebenso. Wie war das nochmal mit dir?
Na gut, es war wieder ein sehr eindrucksvolles Kapitel, und wie immer geht es weiter: Auf zum nächsten Kapitel.
Viele Grüße an Anna und Co. und natürlich auch an Spring.�
PS: Vielleicht solltest du die Anzahl der Zeichen festlegen. Ich habe das Gefühl. Ich strahle mir viel zu viel.